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[Selfpublishing unverblümt] Folge 18: Wenn behauptet wird, dass ich meine Seele verkaufe

Folge 18: Wenn behauptet wird, dass ich meine Seele verkaufe

Als Selfpublisher:in kann man theoretisch schreiben und veröffentlichen, was man möchte. Natürlich sollte man dabei nicht das Urheberrecht verletzen oder etwa Gewalt verherrlichen. Aber was ich meine, ist hoffentlich klar: Kein Verlag fungiert als sogenannter Torwächter. Kümmere ich mich selbst um die Veröffentlichung, genieße ich besonders viel künstlerische Freiheit und könnte losgelöst von Trends und Massengeschmack publishen. Keine verlegerische Instanz kann mir vorschreiben, das „Gleiche in Grün“ zu kreieren, wie es schon x-mal vor mir gemacht worden ist.

Deswegen gilt das verlagsunabhängige Veröffentlichen als die Gelegenheit schlechthin für Experimente. Und es gibt Beispiele, die zeigen, zu welchem Erfolg das führen kann. Nehmen wir etwa die Selfpublisherin Sameena Jehanzeb. Auf sie wurde ich im Rahmen des Selfpublishing-Buchpreises 2020 aufmerksam. Über den Selfpublisher-Verband e. V. wurde mir die Ehre zuteil, Mitglied der Jury für die Sparte Belletristik zu sein. In dieser Kategorie gewann in jenem Jahr Sameena Jehanzebs eingereichter Titel „Was Preema nicht weiß“ den Award. Was das anging, waren wir von der Jury uns schnell einig. Tatsächlich war das Buch sogar mein absolutes Lese-Highlight des Jahres. In „Was Preema nicht weiß“ werden gekonnt verschiedene Genres vermischt, was den Lesenden zu Beginn der Geschichte nicht unbedingt klar ist. Diversität findet man ebenfalls, ganz ohne dass sie verkrampft wirkt. Selbst auf grafischer Ebene spielt das Werk mit seinen Betrachtern und führt je nach Lesefortschritt zu diversen Aha-Momenten. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen, gerade das hat mich an dem Roman begeistert. Sameena Jehanzebs „Was Preema nicht weiß“ ist erfrischend anders – und das auch noch gekonnt elegant, anstatt die Alleinstellungsmerkmale plump aufzudrängen. Und so wundert es mich nicht, dass dieses Werk auch noch weitere Preise gewonnen hat. Anders zu sein, ist gut! Ohne experimentelle Literatur würde der Gesellschaft etwas fehlen. Davon bin ich überzeugt.

Dennoch:

Meine Liebesromane sind alles andere als originell.

Jedenfalls, wenn es um die Frage geht, ob ich mit ihnen das Rad neu erfinde. Das tue ich – im Gegensatz zu Sameena Jehanzeb – nämlich nicht. Nein, ganz und gar nicht. Meine Werke folgen klaren Mustern, die seit Jahren und Jahrzehnten für ihr Genre und Subgenre geläufig sind. Das gilt nicht nur für den Inhalt, sondern auch für das Cover, den Titel und alles andere.

Romane von mir, C. R. Scott, sind sehr wohl immer wieder „das Gleiche in Grün“ – zueinander und auch auf andere Autor:innen des Genres bezogen. In der Regel weiß die Leserin von Anfang an genau, was sie erwartet … womit sie rechnen kann, womit nicht. Sogar vor gewissen Klischees mache ich nicht Halt. Auch viele meiner Konflikt-Themen hat man allesamt woanders schon mal so gelesen, behaupte ich.

Wie ich aber leider feststellen durfte, gibt es da draußen Menschen, die mich dafür verurteilen. Menschen, insbesondere Autor:innen, die der Meinung sind, dass ich mit der Bedienung von Trends schlichtweg meine Seele verkaufe. Dass ich mich dem schnellen Geld und oberflächlichem Ruhm verschrieben habe, anstatt authentisch und leidenschaftlich zu sein, zu mir zu stehen und mich selbst zu verwirklichen. Diese Leute finden, dass ich feige bin, eben nicht mutig. Und das, obwohl mir doch, so ohne Verlag, erst recht alle Türen offenstehen würden, um etwas Originelles zu erschaffen.

Ich werde also für meine Massentauglichkeit angegriffen.

Wie bin ich überhaupt dazu gekommen, für den Markt und die Masse zu schreiben? Wie es scheint, denken viele, dass ich nur auf diese Weise vom Schreiben leben kann, und mich dafür verbiege. Doch zufälligerweise deckt sich mein Geschmack mit dem der Masse. Natürlich geht es nur um eine bestimmte Art von Liebesromanen, die mich anspricht, aber der Leserkreis dafür scheint glücklicherweise ziemlich groß zu sein. Das, was ich schreibe, ist also auch das, was mich interessiert. Demzufolge bin ich sehr wohl authentisch. Würde ich verkrampft herumexperimentieren und unbekannte Pfade betreten, wäre ich viel weniger ich selbst. Denn dafür interessiere ich mich nicht.

Doch schon dafür, dass ich überhaupt hauptberuflich in Vollzeit schreibe, bekomme ich offensive Bemerkungen zu hören. Dann heißt es, ich hätte meine Passion verloren, weil es mir ja nur noch ums Geldverdienen ginge. Der damit verbundene Druck würde wahre Schreibleidenschaft doch gar nicht mehr ermöglichen. Für einige mache ich es also sowieso falsch, seit ich das Schreiben zu meinem Beruf gemacht habe – ob ich nun „originell“ schreibe oder nicht.

Marktgerechtes Schreiben wird belächelt. Warum ist das so?

Anfangs haben mich solche Vorwürfe überrascht und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Hatten diese Leute, die so selbstbewusst und entschlossen mit ihrer angriffslustigen Meinung auftraten, recht? Habe ich meine Seele verkauft? Bin ich leidenschaftslos geworden? Verhindere ich, dass ich mich als Autorin weiterentwickle?

Aufgrund meiner Erfahrungen mit negativen Bewertungen und unkollegialem Verhalten ist mir mit der Zeit eins klar geworden: Wird man aus dem Nichts heraus verbal attackiert, steckt nicht selten Neid dahinter. Neid auf meinen Erfolg. Darauf, dass ich vom Schreiben leben kann. Vielleicht auch einfach darauf, dass ich mit meinem Alltag zufrieden bin und sich mein Job für mich nicht nach Arbeit anfühlt. Wir sprechen von Neid, der zu Frust führt, was wiederum dazu verleitet, die Manieren zu vergessen. Das muss nicht auf alle zutreffen, die mich beleidigen, und ist letztlich nur eine Vermutung. Aber sie basiert immerhin auf Beobachtungen, Recherchen und Gesprächen, anstatt vollkommen aus der Luft gegriffen zu sein. Auch für die tollkühne Behauptung, ich würde ohnehin „keine richtige Literatur“* schreiben, bin ich für mich persönlich zu diesem Schluss gekommen.

Es ist ein Schutzmechanismus.

Und ich kenne diesen Mechanismus selbst. Zwar liegt es mir fern, andere Autoren anzugreifen, aber auch ich bin diesem Schutzmechanismus schon einmal zum Opfer gefallen: 2016 habe ich in einem Interview für das Magazin Leserkanone nämlich Folgendes gesagt:

„Es war nie mein Traum, ganz von meinen Romanen abhängig zu sein. […] Das nimmt mir ein Stück weit den Druck.“

Dabei sah die Wahrheit schon immer anders aus: Seit dem Grundschulalter wollte ich wahnsinnig gerne hauptberufliche Schriftstellerin werden. So gesehen war meine Aussage im Interview von vor sechs Jahren gelogen. Damals konnte ich noch nicht einmal ansatzweise vom Schreiben leben und habe mir die Situation, in der ich stattdessen feststeckte, schöngeredet. Auch das war ein Schutzmechanismus, damit es mir hoffentlich etwas besser gehen würde. Erst jetzt, da ich mittlerweile meinen Durchbruch hatte, kann ich das leichter zugeben.

Sobald man Erfolg hat, wird man nun mal angegriffen. Ich kann die Leser:innen dieser Kolumne also beruhigen: Solltet ihr auch mal einen solchen Vorwurf an den Kopf geworfen bekommen, sind wir Leidensgenossen. Und das ist absolut okay. Denn, wisst ihr, ich sitze hier gerade bei Vogelgezwitscher auf meiner Sonneninsel im Garten, höre die Nachbarskinder spielen, mein Mann werkelt in der Garage herum und der Hund liegt entspannt im Gras … Ich halte kurz inne, betrachte das farbenprächtige Blumenbeet, erfreue mich an den Bienen und Vögeln, die vorbeifliegen, und denke mir: Mit meiner Seele ist alles in Ordnung. Ich habe sie nicht verkauft. Und ich bin so sehr ich selbst, wie ich es nur sein kann.

Und davon mal abgesehen!

Selbst wenn ich mich nicht privat für seichte Liebesromane interessieren sollte und sie allein zum Geldverdienen schreiben würde – wäre das so schlimm? Warum sollte man mich dafür belächeln, geschweige denn verurteilen? Ich zaubere damit anderen nach einem anstrengenden Tag ein Lächeln ins Gesicht. Schon das ist überaus erfüllend für mich. Und ich will sehen, dass diejenigen, die mir Selbstverrat vorwerfen, auch eine Krankenpflegerin nach einem langen Tag auf der Intensivstation fragen, ob sie sich denn heute im Job schon selbst verwirklicht hat.

*Funfact: Mein größter Fan ist immer noch mein Vater, und dieser besitzt jeden meiner Romane als Taschenbuch. Neulich hat sein Bücherregal nachgegeben und ist zu Boden gekracht. Da behaupte also noch mal einer, ich würde leichte Kost schreiben! … Ihr seht schon: Am besten ist es, die Vorwürfe, die einem aus (unbewusstem) Neid heraus gemacht werden, mit Humor zu nehmen.

In der nächsten Folge geht es um das Klischee, dass Selfpublisher:innen unprofessionell seien und wie unsere Kolumnistin damit umgeht. Jeden 20. des Monats gibt es einen neuen Beitrag der Kolumne im Blog des Selfpublisher-Verbandes.


C.R. Scott – Autorin, Grafikerin und jetzt auch Kolumnistin

C. R. Scott wurde 1984 in Schleswig-Holstein geboren und hat Literatur studiert. Egal ob prickelnd, fantastisch oder verträumt – ihre Liebesromane begeistern Tausende von Lesern. Inzwischen gibt es einige ihrer Bestseller auch als Hörbuch. Die Autorin ist Mitglied im Montségur Autorenforum und in der Jury für den Selfpublishing-Buchpreis. Wenn sie mal nicht schreibt, geht sie am liebsten durch den Wald spazieren und lässt sich für neue Geschichten inspirieren.

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C.R. Scott

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