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[Selfpublishing unverblümt] Folge 17: Wenn meine Vielschreiberei verurteilt wird

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Folge 17: Wenn meine Vielschreiberei verurteilt wird

Für diese Kolumne darf ich mir das monatliche Thema ja immer selbst aussuchen, und in der diesmaligen Folge verliere ich ein paar Worte zu meiner Viel- bzw. Schnellschreiberei.

Bei Wikipedia steht im Artikel zur Thematik der „Vielschreiberei“ aktuell Folgendes:

„Im professionellen Selfpublishing von eBooks gibt es in den letzten Jahren Tendenzen zur Vielschreiberei. Das liegt daran, dass die Backlist eines Autors nur dann genügend Beachtung findet, wenn in kurzer Abfolge neue Werke erscheinen. Manche Autoren veröffentlichen deshalb auch häufiger kürzere Texte und fassen sie später zu Sammelbänden zusammen.“

Speziell im Selfpublishing soll es also geläufig sein, verhältnismäßig schnell zu schreiben – und den vielen Output natürlich auch zu veröffentlichen. Weil das wichtig für die Sichtbarkeit sei.

Stimmt das?

Na ja, die Aussage ist nicht per se falsch. Ich bin Selfpublisherin … und ja, ich schreibe durchaus viel bzw. schnell. Wer sich meine Backlist anschaut, wird das wohl bestätigen. Und ich kenne nicht wenige verlagsunabhängige Kollegen, die ich ebenfalls als Vielschreiber:innen bezeichnen würde. Es stimmt auch, dass meine E-Books eher miteinander verknüpft werden, wenn kein allzu großer Abstand zwischen ihren Erscheinungsterminen liegt. Diese Sichtbarkeit generiert zusätzliche Verkäufe.

Aber genauso gibt es Selfpublisher:innen, die „nur“ vier Bücher im Jahr herausbringen und davon leben können. Und es gibt Verlagsautoren, die sogar noch mehr im Monat schreiben als beispielsweise ich. Oftmals ist das für Außenstehende nur nicht ohne Weiteres erkennbar. Dabei kenne ich eine ganze Reihe von Schreiberlingen, die offiziell nur ab und zu bei dem ein oder anderen Buchverlag veröffentlichen, inoffiziell aber auch noch unter diversen geschlossenen Pseudonymen etwa unzählige Heftromane verfassen. Diese Leute kommen teilweise auf einen noch größeren Output als ich, nur hängen sie das nicht an die große Glocke, und sei es allein deswegen, weil die unterschiedlichen Verlage es aus marketingtechnischen Gründen nicht wollen.

Und dann gibt es auch noch Autor:innen, bei denen es sowieso egal ist, ob sie für Verlage schreiben oder eigenständig publizieren … Sie sind einfach deswegen Vielschreiber, weil sie anscheinend acht Stunden am Tag auf Facebook unterwegs sind und in Autorengruppen aus Frust andere Leute beleidigen. Was da bei einigen an Output zusammenkommt, ohne dass dieser – meiner Meinung nach – sinnvoll ist oder bezahlt wird, ist schon erstaunlich. Auch das ist eine Form der Vielschreiberei und lässt sich nicht pauschal aufs Selfpublishing oder auf Verlage beziehen.

Auch ich habe nicht erst durch das verlagsunabhängige Veröffentlichen meinen Hang zum schnellen Schreiben entdeckt, sondern … das ist einfach mein Ding. Seit der Grundschule wollte ich gerne Schriftstellerin werden und habe mich darin geübt. Dementsprechend habe ich jetzt, mit Ende dreißig, einfach wahnsinnig viel Routine darin. Zudem hilft mir der Gedanke, dass ich die Rohfassung später immer noch mal überarbeiten kann, wirklich gut dabei, keine sogenannten Blockaden zu entwickeln. Ganz grundsätzlich bin ich schnell unterwegs, wenn ich schreibe … oder wenn ich lese. Spätestens in meinem Literaturstudium kam das zum Tragen. So bin ich einfach. Und eigentlich wollte ich das nie infrage stellen.

Doch:

Es gibt da draußen Leute, die meine Vielschreiberei belächeln

„Carina, kann das überhaupt Qualität haben, wenn du so viel und so schnell schreibst?“, werde ich hin und wieder gefragt – mal mehr und mal weniger direkt.

Tja. Was soll ich dazu sagen?

Gerade wenn es um belletristische Texte geht, ist es doch ganz allgemein schwierig zu sagen, wann ein Werk gut oder schlecht ist … wann es Qualität hat und wann nicht. Meiner Ansicht nach hängt die Antwort von zahlreichen Faktoren ab, die individuell sind und vom jeweiligen Lesegeschmack abhängen. Das geht schon bei den Fragen los, wie lang ein Text ist oder aus welcher Perspektive und in welcher Zeitform er erzählt wird.

Eigentlich ließen sich Schubladen wie „gut“ und „schlecht“ also nur auf nackte Verkaufszahlen herunterbrechen, könnte man meinen. Stimmt das? Na ja, etwas komplexer ist es wohl schon. Als ich kurz vor meiner ersten Veröffentlichung als C. R. Scott stand, hat ein erfahrener Selfpublisher etwas zu mir gesagt, das ich bis heute nicht vergessen habe, weil es mir sofort überaus sinnvoll vorkam: „Qualität misst sich daran, wie gut es gelingt, die definierte Zielgruppe anzusprechen und zufriedenzustellen, also ihre Erwartungen abzurufen und auch zu erfüllen.“ Seitdem versuche ich, diesen Grundsatz bei jedem meiner Werke und jedem meiner Schritte zu beherzigen, egal ob es um den Plot, den Umfang, die Wortwahl, das Cover oder den Klappentext geht.

Allerdings kann ich nicht nachempfinden, dass solche Dinge bei allen, die schreiben, automatisch von der Schreibgeschwindigkeit abhängen sollen. Vielmehr geht es doch um Fachwissen, Bauchgefühl und auch Authentizität, würde ich sagen. Würde ich behaupten, dass ein Roman automatisch schlecht ist, nur weil er in kurzer Zeit geschrieben wurde, dann müsste ich gleichzeitig die These aufstellen, dass ein Roman automatisch gut ist, nur weil es fünf Jahre gedauert hat, ihn zu schreiben. Dabei kommen lange Schreibzeiten etwa dadurch zustande, dass man nicht in Vollzeit schreibt, familiär stark eingebunden ist, noch anderen Leidenschaften nachgeht oder vor lauter Selbstzweifeln regelmäßig blockiert. Mit der Qualität, also der Erwartungserfüllung der Zielgruppe, hat das doch erst einmal gar nichts zu tun.

Aber apropos Leidenschaft …

„Trotzdem kann man nur dann mit Herzblut dabei sein, Carina, wenn man sich ein gewisses Minimum an Zeit fürs Schreiben nimmt“, bekomme ich ab und an zu hören.

Ernsthaft?

Ich lebe fürs Schreiben. Wenn ich mal nicht schreibe, werde ich richtig nervös und habe – ohne Witz – Entzugserscheinungen. Genau das wollte ich seit meiner Kindheit immer machen: Geschichten erzählen! Ich fiebere mit meinen Protagonist:innen mit, verliebe mich in die Plots, raufe mir trotzdem gerne zwischendurch mal wegen Selbstzweifel die Haare und bange, wenn die ersten Rückmeldungen der Testleserinnen reinkommen. Unter der Dusche kommen mir neue Ideen … oder beim Einschlafen … oder im Urlaub. Mal nicht an den aktuellen Liebesroman zu denken, fällt mir schwer, und es stresst mich auch nicht, so zu sein. Im Gegenteil! Es macht mich glücklich. Das ist meine Berufung. Meine Bestimmung. Wie die Luft zum Atmen. Das soll keine Leidenschaft, kein Herzblut sein?

Ich will mir nicht anmaßen, sicher zu wissen, dass der Neid aus den Leuten spricht, die meine Schnellschreiberei verurteilen. Aber eins kann ich versichern: Um meine Schreibleidenschaft steht es ungebrochen gut. Und auch die Vielleser:innen, die zu meinen Romanen greifen, kommen mir überaus passioniert vor.

Andere anzugreifen, nur weil man selbst langsamer schreibt oder liest, wird niemanden weiterbringen. Unterschiedliche Schreib- und Lesetypen dürfen nebeneinander koexistieren. Nichts spricht dagegen. Absolut nichts.

Du schreibst langsamer als ich? Das ist vollkommen okay.

Umgekehrt würde ich nie auf die Idee kommen, jemandem, der weniger Wörter zu Papier bringt als ich, weniger oder mehr Leidenschaft zuzuordnen. Oder weniger oder mehr Professionalität. Mach dein Ding! Bleib bei deinem Tempo. Definiere es zwischendurch neu oder lass jahrelang alles beim Alten. Ganz, wie du möchtest.

Genügend Autor:innen machen vor, wie erfolgreich man sein kann, wenn man sich für ein Werk besonders viel Zeit nimmt. George R. Martin schreibt drei Seiten am Tag. An besonders produktiven Tagen! Ansonsten weniger. Und die Welt liebt „Das Lied von Eis und Feuer“ sowie die TV-Serie „Game of Thrones“. Wer würde behaupten, dass das gemächliche Tempo seiner Karriere geschadet hat?

Du schreibst auch schnell? Das ist genauso okay.

Aber auch mit dem Vielschreiben kann man Literaturgeschichte schreiben: Die englische Schriftstellerin Enid Blyton ist sicherlich vielen ein Begriff. Bis heute sind Reihen wie „Fünf Freunde“ und „Hanni und Hanni“ bei Kindern beliebt und wurden vertont sowie verfilmt. Dabei hat Enid Blyton in ihren 71 Lebensjahren über 750 Bücher geschrieben! Das sind mehr als zehn pro Lebensjahr – wenn sie direkt nach der Geburt damit angefangen hätte. Hinzu kommen auch noch 10.000 Kurzgeschichten. Wer würde über Enid Blyton sagen, sie hätte ihre Zielgruppe nicht verstanden?

Oder wer würde es über Barbara Cartland sagen? 20 Jahre lang hat sie alle zwei Wochen einen Liebesroman fertiggestellt – und dann auch noch die Titelbilder selbst gemalt. In ihrem Nachlass fand man 160 unveröffentlichte Werke. Das nenne ich mal einen Output! „Trotzdem“ gilt sie als eine der bedeutendsten britischen Liebesroman-Autorinnen des 20. Jahrhunderts.

Und was heißt das jetzt?

Ganz einfach: Vielschreiberei ist keine Sache von Selfpublishern, kann sich aber dann und wann bei diesem Veröffentlichungsweg eher offenbaren, weil es keinen Verlag gibt, der einem dies vertraglich verbietet. Und: Jedes Schreibtempo kann sowohl mit als auch ohne Verlag wunderbar funktionieren.

Deswegen kann ich jedem ans Herz legen, seinen eigenen Rhythmus zu finden. Auch das trägt zur literarischen Vielfalt bei. Und Diversität ist kein Grund, sich gegenseitig zu belächeln, geschweige denn anzugreifen. Im Gegenteil. Es ist etwas richtig Schönes.

Um Verurteilung und Vorurteile geht es auch in der nächsten Ausgabe der Kolumne: Da erzählt uns C.R. Scott davon, wie manchmal behauptet wird, sie würde ihre Seele verkaufen, weil sie markt- und massentauglich schreibt. Jeden 20. des Monats gibt es einen neuen Beitrag der Kolumne im Blog des Selfpublisher-Verbandes.


C.R. Scott – Autorin, Grafikerin und jetzt auch Kolumnistin

C. R. Scott wurde 1984 in Schleswig-Holstein geboren und hat Literatur studiert. Egal ob prickelnd, fantastisch oder verträumt – ihre Liebesromane begeistern Tausende von Lesern. Inzwischen gibt es einige ihrer Bestseller auch als Hörbuch. Die Autorin ist Mitglied im Montségur Autorenforum und in der Jury für den Selfpublishing-Buchpreis. Wenn sie mal nicht schreibt, geht sie am liebsten durch den Wald spazieren und lässt sich für neue Geschichten inspirieren.

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C.R. Scott

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