Divers schreiben

Divers schreiben: Was bringt mir das als Autor:in?

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Diversität ist ein grundlegender Baustein unserer Gesellschaft. Wir sind keine homogene Masse, sondern Individuen mit ganz persönlichen Geschichten, Hintergründen und Erfahrungen. Wir vom Selfpublisher-Verband finden: Das ist etwas Großartiges! Mit anderen Lebenserfahrungen als den eigenen in Kontakt zu kommen, lässt uns als Menschen wachsen und uns weiterentwickeln – auch und insbesondere als Autor:innen.

Sinn und Zweck dieser Blogreihe

In den letzten Jahren hat die Diskussion um Diversität in Romanen immer weiter zugenommen. Die Unterhaltungen werden dabei von allen Seiten oft mit sehr viel Emotionalität geführt. Wir möchten mit der folgenden Themenreihe nicht nur einen klaren Standpunkt für mehr Diversität in Büchern und der Buchwelt einnehmen, sondern das Thema auch von verschiedenen Seiten beleuchten und aufzeigen. Dazu haben wir mehrere Gastautor:innen gewonnen, die sich mit ihren Themenschwerpunkten besonders gut auskennen. Die Beiträge sollen euch eine Grundlage bieten, das Thema besser zu überblicken und im besten Fall selbst etwas für euch und eure Romane mitzunehmen.

Den Auftakt heute macht ein kleiner Crashkurs zum Thema Diversität: Was ist das überhaupt? Welchen Mehrwert bietet das meinem Buch? Und warum kann es sinnvoll sein, divers zu schreiben?

Das Wichtigste zuerst: Was versteht man unter Diversität eigentlich?

Das Wort „Diversität“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Vielseitigkeit oder Vielfalt. Auf Bücher bezogen, spricht man von diversen Büchern, wenn die Geschichten in irgendeiner Art und Weise Vielfalt in ihren Themen oder ihren Figuren aufweisen. Ein Roman mit einer Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen kann also z. B. divers sein oder ein Buch mit einer Schwarzen Hauptfigur. Diese Definition ist natürlich ein wenig schwammig und vielfach werden die Grenzen, was ein diverses Buch ist und was nicht, sehr individuell gesetzt. Grundsätzlich kann man sagen: Alles, was von dem abweicht, was eine bestimmte Gesellschaft als die Norm ansieht (also in vielen Fällen: Weiß, heterosexuell, cis-gender, gesund, neurotypisch, ohne Migrationshintergrund), fällt unter den Überbegriff divers. Es geht also nicht nur um die Herkunft oder Sexualität, wie oft angenommen, sondern auch um Behinderungen oder Neurodiversität (z.B. Autismus).

Alles nur ein Trend?

Oft wird „Diversität“ als Trendthema bezeichnet – mit der Implikation, dass Bücher aktuell nur divers geschrieben werden, weil es „in“ ist. Dass da vielfach ein ganz anderer Grundgedanke dahintersteckt, nämlich der Wunsch, Bücher zu schreiben, in denen sich alle Menschen wiederfinden können, wird oft gar nicht erst in Betracht gezogen. Diversität ist mehr als nur ein Trend – sie führt nachweislich zu mehr Inklusion. Das ist nicht nur unsere subjektive Ansicht, sondern wurde auch in zahlreichen Studien bewiesen. Je inklusiver etwas formuliert ist, desto mehr Menschen fühlen sich angesprochen und werden von anderen mitgedacht.

Gender und Inklusion

Eine Studie des Hamburger Marktforschungsinstituts EARSandEYES aus dem Jahr 2021 hat beispielsweise gezeigt, dass sich die Nutzung des generischen Maskulinums negativ auf den gedanklichen Einbezug weiblicher Personen auswirkt. Dazu wurden die Teilnehmenden in drei Gruppen unterteilt und dann gebeten, spontan zwei Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Berufsgruppen zu nennen. In einer Gruppe wurde mit dem generischen Maskulinum gefragt („Musiker“, „Schauspieler“), in der zweiten mit beiden Benennungen („Musikerinnen und Musiker“, „Schauspielerinnen und Schauspieler“) und in der dritten schließlich mit Genderstern („Musiker*innen“, „Schauspieler*innen“). Das Resultat? Das Gendersternchen hat dazu geführt, dass sich der Anteil der weiblichen Nennungen bei den Antworten im Vergleich zur Gruppe mit dem generischen Maskulinum verdoppelt hat. Der Anteil der weiblich genannten Personen stieg bei der Gruppe mit Beidnennungen ebenfalls, allerdings nicht ganz so beachtlich wie mit dem Genderstern. Zum Thema Gendern gibt es eine Menge Pro- und Kontra-Argumente, die beachtet werden sollten. Studien wie die oben beschriebene sind mitunter Gründe dafür, dass wir uns im Verband fürs Gendern entschieden haben. Natürlich ist auch diese Lösung keineswegs perfekt – so kann der Genderstern beispielsweise auch zu Verständnisschwierigkeiten beim Lesen führen. Das Thema ist dementsprechend komplex, weshalb wir ihm in dieser Blogreihe einen eigenen Artikel gewidmet haben.

Und was bringt mir dieses diverse Schreiben jetzt?

Diverse Repräsentation führt zu mehr Inklusion, indem sie die bereits vorhandene Diversität in unserer Gesellschaft abbildet. Inzwischen ist diese Erkenntnis auch in der Buchwelt angekommen. Während es über dem großen Teich bereits gang und gäbe ist, werden auch hier im deutschsprachigen Raum immer mehr Stimmen laut, die mehr Diversität in Büchern und im Verlagswesen wünschen. Die Gegenstimmen dazu argumentieren, dass es nicht sinnvoll sein könne, Diversität zu erzwingen oder Autor:innen gar dafür zu verurteilen, wenn ihre Geschichten nicht divers genug sind – oder „falsch divers“, denn natürlich sollte die Repräsentation keine schädlichen Klischees und Stereotypen widerspiegeln. Kunst sei frei und dürfe keinen Einschränkungen unterworfen werden. Auf der anderen Seite gibt es sogar Forderungen, dass Bücher über diverse Lebenserfahrungen ausschließlich von Menschen geschrieben werden sollen, die diese Lebenserfahrungen selbst gemacht haben (Thema Own Voice).

Diverser zu schreiben, ist eine bewusste Entscheidung. Unsere Sozialisierung führt dazu, dass wir unterbewusst automatisch die Lebensrealität in unseren Büchern abbilden, die wir selbst kennen. Wir leben alle in einer Blase – aus dieser auszubrechen ist nicht immer einfach und oftmals ein langer Prozess, hinter dem viel Arbeit steckt. Mehr Diversität macht unsere Geschichten vielfältiger und führt dazu, dass sich mehr Menschen in unseren Erzählungen wiederfinden. Und gleichzeitig erweitert es unseren eigenen Horizont, wenn wir uns mit anderen Lebensrealitäten befassen als der eigenen.

Was es beim diversen Schreiben zu beachten gilt

Natürlich ist dieses Thema vielschichtig. Es bestehen durchaus Gefahren und Problematiken, wenn Autor:innen versuchen, mehr diverse Repräsentation in ihren Romanen zu integrieren. Divers zu schreiben ist nämlich nicht einfach nur damit getan, im nächsten Roman eine Protagonistin mit Kopftuch oder eine lesbische Nebenfigur einzubauen. Entsprechen diese Lebensrealitäten nicht der eigenen, läuft man schnell Gefahr, auf Stereotype oder Klischees zurückzugreifen. Dies führt dann nicht unbedingt zu mehr Diversität, sondern lediglich zu einer Weiterverbreitung von diesen überholten Stereotypen und schädlichen Klischees – und das ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, was viele mit diversem Schreiben erreichen möchten. Das passiert oft unabsichtlich und unbewusst, aber der Schaden ist trotzdem sehr real für die Betroffenen. Wie kann man das also verhindern?

Recherche ist zentral

Grundsätzlich sollte hinter allem, was man als Autor:in tut, immer eine Menge Recherche stecken. Will ich eine Protagonistin mit Kopftuch in meinem Roman, dann ist es sicherlich eine gute Idee, selbst mit Menschen zu sprechen, die Kopftücher tragen, und mehr über ihre Lebensrealität zu erfahren. So kann man verhindern, dass schädliche Klischees reproduziert werden. Dabei sollte man sich stets auch hintersinnen, warum man das überhaupt will: Wenn man die Lebensrealität von Menschen mit Kopftuch wirklich realistisch repräsentieren will, dann sollte man auch bereit sein, den entsprechenden Aufwand zu betreiben. Will man die Figur nur einbauen, weil man sich dadurch erhofft, aufgeschlossener und weltoffener zu wirken, sollte man es besser lassen – denn dies merken die Leser:innen schnell (Stichwort: Tokenismus).

Sensitivity Reading als Unterstützung

In vielen Fällen empfiehlt sich außerdem ein Sensitivity Reading – das ist eine Form des Lektorats, bei dem der Fokus darauf gelegt wird, die Repräsentation im Roman so frei von Stereotypen und schädlichen Klischees wie möglich zu machen. Dieses Sensitivity Reading wird von Menschen durchgeführt, welche dieselbe Lebensrealität teilen wie die Figur im Roman und so ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse miteinfließen lassen können. Oft wird Sensitivity Reading fälschlicherweise mit Zensur verglichen. Doch wie bei jedem anderen Lektorat auch sind alle Vorschläge der Sensitivity Reader:innen im Endeffekt genau das: Vorschläge. Die Umsetzung liegt schlussendlich bei dem:der Autor:in bzw. beim Verlag.

Was Sensitivity Reading ebenfalls nicht ist, ist Immunität vor Kritik. Denn natürlich sind die Lebensrealitäten von Menschen sehr verschieden – was ein:e Sensitivity Reader:in als problematisch erachtet, kann die andere Person als völlig in Ordnung ansehen. Der nächste Artikel dieser Blogreihe wird sich noch etwas intensiver mit diesem Thema befassen.

Weiterführende Links und Hilfestellungen

Gerade, wenn man anfängt, sich mit diversem Schreiben zu befassen, kann man schnell mal von der schieren Anzahl der Informationen erschlagen werden. Deshalb haben wir zum Abschluss einen kurzen Überblick über verschiedene Links zusammengestellt, mit denen du dich weiter informieren kannst.

Die Blogreihe im Überblick

Mit unser Blogreihe versuchen wir, das Thema Diversität für Autor:innen verständlich aufzubereiten. Weitere Blogposts in der Reihe sind:

  • Was ist Sensitivity Reading?
  • Thema Gendern
  • „Macht ja nichts“ – Ein Erfahrungsbericht
  • Own Voice: Was ist das überhaupt?
  • Genderneutrale Sprache im Roman

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